Automatisches Fahren im öffentlichen Raum und seine Konsequenzen

29.06.2016, Prof. Dr.-Ing. Christian Schulz

In nur wenigen Jahren ist es soweit: Dann werden in den ersten Städten autonome Autos unterwegs sein – auch in Mittweida. In der vierzehnten Veranstaltung der diesjährigen Ringvorlesung an der Hochschule Mittweida ging es um eine greifbare – und bald erfahrbare – Utopie: „Automatisiertes Fahren im öffentlichen Raum und seine Konsequenzen“. Professor Christian Schulz von der Fachgruppe Elektro- und Automatisierungstechnik der Fakultät Ingenieurwissenschaften der Hochschule Mittweida zeigte deutlich, dass die Visionen von automatisierter Mobilität weit über das autonome Fahrzeug an sich reichen und zukünftige Mobilitätszenarien sehr vielseitig sind. So könnten wir zukünftig beispielweise mit einem per Smartphone gerufenen PKW zum Möbelhaus fahren und mit dem Transporter voller Möbel zurück. Fahrzeuge kommunizieren untereinander, um den Verkehr bestmöglich zu bewältigen. Heute noch in Staus verlorene Zeit kann sinnvoll genutzt werden.

Aber zunächst stellt sich die Frage: Wieso braucht es diese Innovation, wenn uns Autofahren doch so viel Spaß macht? Die Antworten darauf sind ebenso vielfältig wie die technischen Möglichkeiten, das Fahren dem Computer zu überlassen: Zum einen kann bisher von individueller Mobilität weitgehend ausgeschlossenen Menschen – vor allem alten, kranken und behinderten Menschen – der Zugang zur Mobilität erleichtert werden. Zukünftige Mobilität wird so ein Stück demokratisiert.

Andererseits ist auch der gesunde Mensch nur eingeschränkt für einen Straßenverkehr mit hohen Geschwindigkeiten ausgestattet: Seine Reaktionszeiten sind um ein Vielfaches größer als die der modernen Technik. Ein Großteil der Unfälle auf unseren Straßen, etwa 90%, geht auf menschliches Versagen zurück. Die moderne Technik hingegen kann bereits dank Abstandsmessung mit Laserstrahlen  (Lidar), Radar, 3D-Kamera und Ultraschall ein genaues Rundum-Abbild des kompletten Umfeldes erzeugen und auf abgespeicherte Szenarien sofort reagieren. Die Technik wird nicht müde und ist immer aufmerksam.

Trotz der Praktikabilität der fortgeschrittenen Technik ergeben sich auch Schwierigkeiten: Beispielsweise wirft die Programmierung von Verhalten in Unfallsituationen zahlreiche ethische Fragen auf und die drahtlose Datenübertragung birgt stets ein Störungsrisiko oder die Gefahr von Hackerangriffen. Außerdem ist das geltende Verkehrsrecht noch auf den Menschen als Fahrzeugführer ausgelegt. Somit sind komplexe Veränderungen nötig, bevor das Gesamtkonzept „autonomes Fahren“ praktikabel werden kann.

Mittweida als Testfeld für automatisches Fahren im kleinstädtischen Raum

Nicht nur Professor Schulz ist davon überzeugt, dass selbstfahrende Autos unsere Zukunft bestimmen – es ist das dominante Thema bei allen Automobilkonzernen, und auch die IT-Konzerne sind dabei. So könnte die Utopie zumindest teilweise schon bald zur Realität werden. Von den Teststrecken bewegt sich autonomes Fahren mehr und mehr in den öffentlichen Straßenverkehr. Die Umsetzung für den öffentlichen Raum ist laut Schulz schon bis 2023 realistisch – auch in Mittweida. Die Hochschulstadt Mittweida strebt an, Testfeld für die Umsetzung automatischen Fahrens im kleinstädtischen und ländlichen Raum zu werden. Dabei gibt es einen Schulterschluss von Stadt, Regiobus GmbH und Hochschule mit dem Ziel, dass Mittweida als „Kleinstadt mit Hochschule“ die notwendigen Sondergenehmigungen für das automatisierte Fahren im öffentlichen Raum erhält.