Das Böse im Täter. Un(be)greifbar?

Montag 28. Mai 2018, 11:18

Ringvorlesung aus der Sicht „böser Menschen“.

Warum wir das Böse brauchen

„Das Böse gibt es objektiv definiert gar nicht!“ Diese Behauptung mag überraschen, vor allem, wenn man weiß, dass sie aus dem Munde eines Referenten kommt, der 15 Jahre im Strafvollzug tätig war: Dr. Thomas Galli hatte für einen langen Zeitraum tagtäglich mit Tätern zu tun, war unter anderem Leiter der Justizvollzugsanstalten Zeithain und Torgau.

Den Gästen der Ringvorlesung an der Hochschule am vergangenen Mittwoch erscheint es inzwischen vermutlich nicht mehr so verwunderlich, denn Dr. Galli vermochte es, anschaulich und wissenschaftlich fundiert darzulegen, dass das Böse eben eine kulturelle Konstruktion sei, die ständig neu verhandelt wird. So gesehen, gebe es das objektiv Böse nicht, aber die Gesellschaft brauche das Konzept, um verbindlich und folgenreich zwischen akzeptablem und nicht-akzeptablem Verhalten zu unterschieden.

Dr. Galli, der auf eigenen Wunsch aus dem Staatsdienst ausgeschieden ist, arbeitet seit Oktober 2016 als Rechtsanwalt und kämpft insbesondere für zu Unrecht Verurteilte und für vorzeitige Haftentlassungen. Im Vortrag ging er zunächst auf Grundsätze des Bösen ein, bevor er Überlegungen zum Bösen in Bezug auf das Strafrecht anstellte und unter anderem Kriminalitätstheorien vom 18. Jahrhundert bis in die Gegenwart behandelte.

Aus seiner umfangreichen praktischen Erfahrung schöpfend, verwies Thomas Galli danach auf einige Fallbeispiele, die das Paradox des Strafsystems sehr gut veranschaulichten: „Eigentlich sollten die Taten der Menschen bestraft werden. Die Freiheitsstrafe trifft allerdings den Menschen, nicht die Tat.“ Daher stellte er abschließend einige Ansätze vor, wie das Strafrecht reformiert werden könnte.

Es sprach:

Dr. Thomas Galli

Der Rechtsanwalt und Autor Dr. Thomas Galli studierte Rechtswissenschaften, Kriminologie und Psychologie. Von 2001 bis 2016 war er im Strafvollzug tätig, 2013 wurde er Leiter der JVA Zeithain, 2015 für über 6 Monate zusätzlich Leiter der JVA Torgau. Daneben beschäftigt er sich auch wissenschaftlich mit kriminologischen Fragestellungen und war Lehrbeauftragter u.a. für Strafrecht und Psychologie und veröffentlichte zum Thema Strafvollzug mehrere Artikel und Bücher.