Achte Veranstaltung

Die kleine Stadt in der großen Moderne - smart, slow oder provinziell?

30.04.2014 Prof. Dr. Stephan Beetz
Hochschule Mittweida Soziologe

Mittweida hat als eine "zentrale kleine Stadt" - und gerade nicht Kleinstadt! - von der Industrialisierung um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert eindeutig profitiert. Das ist eine Erkenntnis aus den Untersuchungen des Mittweidaer Soziologen Stephan Beetz. Beetz ist Professor an der Fakultät Soziale Arbeit der Hochschule und forschte exemplarisch an der Stadt Mittweida über Stadt- und ländliche Entwicklung. In der Ringvorlesung in der vergangenen Woche belegte er mit einer Reihe von Daten eindeutig, dass Städte wie Mittweida die rasante Entwicklung Sachsens möglich gemacht haben.
Hier im "Land der kleinen Städte" seien die Zeiten aber vor der De-Industrialisierung und der zaghaften Re-Industrialisierung nach der Wende mitunter bessere gewesen, so Beetz. Die Reichsbahnverbindung nach Berlin zum Beispiel war 1939 mit zweieinhalb Stunden fast eine bis anderthalb Stunden schneller als heute mit der Deutschen Bahn.
Nichtsdestotrotz ergeben sich gegenwärtig auch Entwicklungschancen für kleine Städte, da Modernisierung nicht allein ein Phänomen der Metropolen ist. Kleine Städte können hier ihre Potenziale als smarte, wendige, kreative Akteure wahrnehmen, wenn sie sich vernetzen, ihre tatsächliche oder vermeintliche Provinzialität auch als Stärke oder sogar als Marke selbstbewusst entwickeln und behaupten.
Modernität ist heute in einer Wissens- und Informationsgesellschaft weniger standortgebunden. Der Hypergeschwindigkeit, der Pseudointimität virtueller Beziehungen und anderen Schattenseiten der aktuellen Modernisierung können kleine Städte die Unmittelbarkeit und Überschaubarkeit eines funktionierenden Gemeinwesens entgegen halten, ohne so etwas wie "Großstadtflucht" zelebrieren zu müssen.
Die Gretchenfrage ist, und das hat auch die Diskussion im Anschluss an den Vortrag deutlich gemacht, ob es gelingt, kleine Städte auch als "offene Gesellschaften" durchlässig, streitbar und lebendig zu machen. Dass hier Mittweida mehr Potenzen hat als die Stadt nutzt, war ein schnell gefundener Konsens zwischen Studierenden, Hochschulangehörigen und Mittweidaer Bürgern.