Dreizehnte Veranstaltung

Schöne neue Arbeitswelt

04.06.2014 
Prof. Dr. Dr. Rolf Haubl
Sigmund-Freud-Institut, Uni Frankfurt am Main

Unter dem Titel "Schöne neue Arbeitswelt" stand die 12. Vorlesung der Ringvorlesung "Was ist modern?" am vergangenen Mittwoch. Prof. Dr. Dr. Rolf Haubl, langjähriger Direktor des Sigmund-Freud-Institutes und Sozialpsychologe an der Johann-Wolfgang-von-Goethe-Universität in Frankfurt am Main, ging den neuen Risiken und Chancen der modernen Arbeitswelt nach. Die in gestiegenen Zahlen psychosozialer Belastungen am Arbeitsplatz sind beunruhigend. Rund 60 Prozent der Arbeitnehmer erleben psychosoziale Belastungsfaktoren. Dies äußert sich vor allem in einer Zunahme an Depressionen und Angststörungen. Jeder fünfte Arbeitnehmer nimmt Medikamente zur Leistungssteigerung. Das führe, so Haubl, zum Rückgang von Loyalität und Bindung zum Arbeitgeber. Wie ist das angesichts einer tendenziellen Entwicklung von mehr Selbstbestimmung, Autonomie und Flexibilität im Job möglich?
"Gerade deswegen!" - macht Prof. Haubl deutlich. Aufgrund der neuen Freiheiten und somit der Auflösung des klassischen "Normalarbeitsverhältnisses" steht die eigene Existenzsicherung in Frage. Die sicheren Strukturen von Arbeitsorganisationen schwinden vor allem im IT-Bereich und in der Dienstleistungsbranche. Die moderne Arbeitswelt mit ihren "subjektivierenden" Treibsätzen verlangt einen "neoliberalen Sozialcharakter" bzw. den "modernen Performer". Dieser hat sich die Effizienzorientierung so zu Eigen gemacht, dass Erschöpfung und Überforderung zum Aushängeschild von guter Leistung werden. Das Ergebnis ist aber oft ein erschöpftes Selbst, welches sich selbst fremd wird oder demoralisiert irgendwann der eigenen Handlungslähmung gegenüber steht.
Wie kann man vorbeugend Widerstandskräfte entwickeln oder stärken? Neben personenbezogenen Interventionen, wie Supervision und Coaching, müssen vor allem die Arbeitsbedingungen selbst die Möglichkeit zu Widerstand und Resilienz geben. Dazu gehören zum einen eine Wertschätzungs- und Anerkennungskultur im Unternehmen, zum anderen eine nützliche und sinnvolle Arbeit jedes einzelnen.
Zusätzlich sind eine gute Führungskultur und interne Kollegialität wichtig, was nicht nur Wünsche sind, sondern durch Tatsachen belegt werden kann, . Die Beherzigung aller dieser Faktoren "zahlt" sich wiederum in erhöhter Leistungsbereitschaft, Effizienz und Wertschöpfung aus. Dies könnte aber den Kreis zum "neoliberalen Hamsterrad" auf nicht unproblematische Weise wieder schließen.