Fünfte Veranstaltung

Größenwahnsinnige Chemielehrer und alkoholabhängige Werbetexter: ‚Modernes Fernsehen‘, Medienkonvergenz und neoliberale Kultur

9.4.2014 Dr. Gunter Süß

Der Begriff ‚Modernes Fernsehen‘ scheint schon ein Widerspruch in sich zu sein“, so eröffnete Gunter Süß den 5. Vortrag im Rahmen der Ringvorlesung, denn in einer Zeit noch viel modernerer Medien galt Fernsehen eher als „trash“ oder so formuliert es der Medienwissenschaftler Neil Postmann als „Medium der Desinformation“. ‚Modernes Fernsehen‘ ist aufgrund von technologischen Entwicklungen (wie bspw. Medienkonvergenz) und der damit verbundenen veränderten Sehgewohnheiten – wie mobile, zeitversetze und Mehrfachrezeption oder ‚binge viewing‘– inzwischen der Inhalt und längst nicht mehr die Institution. In den letzten zwei Jahrzehnten gab es eine wahre Revolution des Fernsehens in den USA, die sich in einer neuen Form von TV-Serien ausdrückt und die der Medien- und Kulturwissenschaftler Süß untersucht hat. Sie sind gekennzeichnet durch ihre serielle Erzählweise, die Verweigerung von Redundanzen, schwarzen Humor, die explizite Darstellung von Sex und Gewalt, ihre Komplexität, die eine mehrfache Rezeption bzw. einen Austausch darüber, ggf. parallel im Internet, notwendig macht und sie erzählen Geschichten, die relevant sind für unsere Gesellschaft. So thematisiert z.B. die Serie „Breaking Bad“ die Erosion der Mittelklasse in Zeiten der Finanzkrise, den Verlust von Sicherheit und die Finanzialisierung alltäglicher Lebenswelten. Diese Prozesse sind für die zeitgenössische neoliberale Kultur prägend. Gleichzeitig fordern diese und andere Serien volle Aufmerksamkeit. Man kann sich nicht mehr berieseln lassen, will man die komplexen Plots und intertextuellen Anspielungen verstehen. „Der neue Arbeitsaufwand, den Fernsehunterhaltung hier erfordert“, so zitiert Süß den Amerikan ist Frank Kelleter, „passt zu einer Kommunikationswelt, die man anspruchsvoll nennen darf, weil in ihr eigentlich überall und jederzeit gearbeitet wird“.