2009

Mehr als ein Girls-Day...

Mädchen des Gymnasiums Burgstädt absolvieren ein zweiwöchiges Informatik-Praktikum an der Hochschule Mittweida und lernen das „neue“ Berufsbild des Informatikers kennen

Wie gewinnt man Mädchen für Studienrichtungen bzw. Berufe, die – oft zu unrecht – als Männerdomäne angesehen werden? Diese Frage stellte sich auch die Fachgruppe Informatik im Fachbereich MPI der Hochschule Mittweida. Unterstützt durch die Fördergesellschaft Informatik/Wirtschaftsinformatik an der Hochschule (GIMI e.V.) wurde versucht, durch verschiedene Projekte mit Gymnasien auch bei Mädchen das Interesse für Informatik zu wecken. Gerade dieses hochinnovative Fachgebiet, dessen Ergebnisse nahezu jeder täglich mehrfach benutzt und auf die kaum jemand verzichten möchte, wird meist als besonders „uncooles“ Studienfach angesehen – was jedoch leider zumeist auf überholten Vorstellungen basiert. Das Berufsbild des Informatikers wird viel zu oft auf reine Programmiertätigkeit beschränkt. Dabei bildet die Qualifikation als Informatiker inzwischen die Basis für ein breites Spektrum an interessanten Tätigkeiten, die weit über das „Handwerkszeug“ des Programmierens hinausgehen. Informatik hat – nicht erst seit heute - vor allem etwas mit logischem Denken, Analysieren, Modellieren, Entwerfen, Projektieren und Bewerten zu tun (und nicht bzw. nur selten etwas damit, z.B. einen Computer auseinander oder zusammen zu bauen). Software wird heute sehr oft „industriell“ entwickelt, vornehmlich in interdisziplinären Teams (und zumeist nicht von einzelnen „Nerds“, die nächtelang an ihrem PC im Keller sitzen – um ein gängiges Klischee zu nennen). Erfolgreiche Teamarbeit setzt aber neben fachlichen auch gewisse soziale Kompetenzen wie Rollenverständnis und Kommunikationsfähigkeit voraus. Wieso wird also oft angenommen, dass diese berufsrelevanten Tätigkeiten von Mädchen nicht erbracht werden könnten?

Um mit diesem Missverständnis aufzuräumen, gibt es zahlreiche Initiativen von Verbänden und Organisationen, z.B. der Gesellschaft für Informatik in Deutschland (GI). So bemühte sich auch die Fachgruppe Informatik der Hochschule Mittweida, Kooperationen mit den regionalen Gymnasien aufzubauen. Erfolgreich gelang ihr dies bisher mit dem Gymnasium Burgstädt, wo sie inzwischen eine Informatik-AG für Mädchen der 8. Klasse organisiert. Erstmals wurde nun auch eine weitere Möglichkeit gefunden, diese Kooperation auszubauen. Im April/Mai absolvierten  3 Mädchen der 9. Klasse ihr zweiwöchiges Betriebspraktikum an der Hochschule Mittweida und entwickelten in dieser Zeit unter Leitung von Frau Prof. Jacobi, selbst Professorin für Informatik und aktives Mitglied der GIMI e.V.,  ein komplexeres Softwareprojekt mit allen erforderlichen Schritten von der Aufgabenstellung bis zur fertigen Lösung. Dass sich die entwickelte Software zum Vokabel-Testen danach auch zu Hause nützlich einsetzen lässt, hat die Motivation der Teilnehmerinnen sicher verstärkt. Das Praktikum bot außerdem die Möglichkeit, sich mit dem Studienablauf an einer Hochschule vertraut zu machen, die Mädchen besuchten dazu einzelne geeignete Vorlesungen, Praktika sowie die Bibliothek und hatten Gelegenheit, mit mehreren Informatik-Professoren individuelle Gespräche, z.B. auch zur Wirtschafts- und zur Bioinformatik zu führen.

Die Kombination eines komplexeren Praktikums mit einem „Schnupperstudium“ wurde von den Teilnehmerinnen besonders positiv eingeschätzt. Die Fachgruppe Informatik hofft nun zugleich darauf, dass die gesammelten Erfahrungen und insbesondere die Erkenntnisse über moderne Berufsfelder in der Informatik, der Wirtschafts- und Bioinformatik von den Teilnehmerinnen wiederum selbst an andere interessierte Schüler und insbesondere Schülerinnen weiter gegeben werden – damit dieses interessante und von der Wirtschaft stets nachgefragte Fachgebiet mit vielfältigen Anwendungsbereichen endlich seinen „Grauschleier“ verliert und zunehmend auch von Mädchen als Studienfach in Betracht gezogen wird.