Dritte Veranstaltung

Das Beste sind die Reste. Reliquienkult zwischen Mittelalter und Moderne.

26.3.2014 Dr. Thomas Labusiak:
Das Beste sind die Reste
Mit Goethes Gedicht „Bei Betrachtung von Schillers Schädel“ eröffnete Dr. Thomas Labusiak die dritte Veranstaltung der öffentlichen Ringvorlesung an der Hochschule unter der Überschrift „Das Beste sind die Reste“. Der Kunsthistoriker und Kustos der Domschätze Halberstadt und Quedlinburg zeigte Bilder von Reliquien Heiliger in kostbaren Gefäßen, die in der christlichen Tradition seit dem 2. Jahrhundert verehrt werden verbunden mit der Sehnsucht, die darin präsente Kraft und Wunderwirkung der Heiligen gehe hilfreich und heilsam auf den Berührenden über. Aber auch heute, so erinnerte Dr. Labusiak, werden sterblichen Überresten Bedeutung beigemessen: Der Leichnam von Lenin ist seit Jahrzehnten in Moskau ausgestellt, die Asche des 2007 verstorbenen britischen Schauspielers Ian Richardson unter der ersten Zuschauerreihe des Royal Shakespeare Theatres in Stratford-upon-Avon einbetoniert und Anhänger pilgern zum Beispiel zum Grab von Jim Morrison und hinterlassen Kerzen und Bildchen. Wir bewahren Liebesbriefe auf, bringen uns aus dem Urlaub eine Muschel zur Erinnerung mit und versuchen, einen Blick auf einen Filmstar zu erhaschen. „Und was ist daran modern? Warum lassen wir die Reliquien nicht vermodern?“ fragte der Kunsthistoriker am Ende seines Vortrages. Wir reichern tote Materie geistig an, um Vergangenes präsent zu halten. Wir möchten Spuren gegen den Zerfall hinterlassen und letztlich ist es wohl ein Ringen von uns Lebenden mit der Vergänglichkeit: „Als ob ein Lebensquell dem Tod entspränge … Dich höchsten Schatz aus Moder fromm entwendend“ (Goethe).