Zehnte Veranstaltung

Die Modernisierung der Natur: Überlegungen zur Synthetischen Biologie.

14.05.2014
Prof. Dr. Michael Bölker
Universität Marburg, Genetik

Im Rahmen der zehnten Ringvorlesung stellte Michael Bölker, Professor für Genetik an der Universität Marburg, Möglichkeiten der Modernisierung der Natur vor. Nun ist "Natur" ein weiter Begriff. Daher stellte Professor Bölker gleich zu Beginn klar, dass es ihm nicht um die modernisierte Natur im Sinne einer Flussbegradigung geht. Nein, es ging im Kern um den Einzug einer Methodik in die Bio- und Gentechnologie, die als Synthetische Biologie bezeichnet wird. Entwickelt von Ingenieuren soll diese Methodik die Funktion von Lebewesen gezielt beeinflussbar machen. Was bedeutet das? Bioingenieure verstehen das Erbgut als eine 2-Bit Programmiersprache, so Professor Bölker, die "gehackt" werden kann. Das ist nichts Neues. Neu ist hingegen die aus den Ingenieurwissenschaften entlehnte Vorgehensweise, Bauelemente zu standardisieren und zu modularisieren und somit zu austauschbaren funktionstragenden Black Boxes zusammenzuführen. Es klingt für den Laien unglaublich, aber dieses Herangehen ist in den Lebenswissenschaften neu – und modern. Die Bauteile heißen Biobricks und sind laut Professor Bölker Ausgangspunkt einer "modernen Steinzeit": Wie aus Ziegelsteinen die Backsteingotik mit zum Himmel strebenden Kathedralen hervorgehen konnte, sollen aus Biobricks Lebewesen (die Rede war immer von Mikroorganismen) mit nützlichen Funktionen entstehen. Beispiele sind die Biosynthese komplexer Wirk- oder Treibstoffe oder die Anzeige von Umweltgiften durch organismische Biosensoren. Tatsächlich sind die Erzeugung des Malariamittels Artemisinin und von Biodiesel erfolgreiche Vorzeigeprojekte mit wirtschaftlicher Bedeutung. Diese Form der Modernisierung der Natur gipfelt in der Totalsynthese von Lebewesen ("never-born cells"), anstelle der Veränderung von Bestehendem. Um ungewünschte Auskreuzungen zu verhindern, werden diese künstlichen (?) Lebewesen (?) so designed, dass sie zu den natürlich evolvierten Arten inkompatibel sind. Als Nebeneffekt erhofft man sich ein "inneres Verständnis" von dem Phänomen Leben. Der Vortrag stimmte nachdenklich und zeigte einmal mehr, wie sehr Mikroorganismen bereits zu Werkzeugen des Menschen geworden sind.