7. Vorlesung

Zusammenleben nach der Flucht. Einblicke und Ausblicke.

In den Jahren 2015/16 und 2022 wurden in Deutschland rund eine Million Vertriebene und Asylsuchende aufgenommen. Obgleich Biographien und soziodemographische Merkmale der Schutzsuchenden vielfältig sind, so stehen sie alle vor der gleichen Aufgabe, sich nach der Flucht ein neues Leben aufzubauen. Dabei spielen die sie aufnehmenden Städte und Gemeinden und die lokale Bevölkerung eine maßgebliche Rolle. Der Vortrag beleuchtet anhand aktueller empirischer Daten Entwicklungsverläufe nach der Flucht. Wie unterscheiden sich dabei die Perspektive der Geflüchteten und der aufnehmenden Gesellschaft? Welche Herausforderungen stellen sich? Wie kann eine gemeinsame Zukunft gestaltet werden?

Dozentin

Prof. Dr. Birgit Glorius

Technische Universität Chemnitz
Professur Humangeographie
Schwerpunkt Europäische Migrationsforschung

Zur Person

Birgit Glorius ist Professorin für Humangeographie mit dem Schwerpunkt Europäische Migrationsforschung an der Technischen Universität Chemnitz. Sie forscht zu der Prozesshaftigkeit von Migration und ihren Folgen für Herkunfts- und Ankunftsregionen, zu Transnationalismus sowie zu lokalen Konstellationen der Flüchtlingsaufnahme, der Reaktionen der Aufnahmegesellschaft und lokal-regionalen Politikansätzen der Integration und Teilhabe. Regionale Forschungsschwerpunkte liegen in Ostdeutschland, Ostmitteleuropa und den Westbalkanstaaten. Sie ist Mitherausgeberin der Z’Flucht, Vorsitzende des wissenschaftlichen Beirats des BAMF Forschungszentrums sowie seit 2023 Mitglied des Sachverständigenrats für Integration und Migration.

Das war die siebte Vorlesung

Rund eine Million Vertriebene und Geflüchtete der Jahre 2015/16 und 2022 stehen vor der Aufgabe, sich nach der Flucht ein neues Leben aufzubauen. Aufnehmende Kommunen und die lokale Bevölkerung spielen eine maßgebliche Rolle für die Entwicklungsverläufe nach der Flucht. Ein Augenmerk von Glorius liegt dabei auf den kleineren Städten und deren strukturellen Besonderheiten für die Zuwanderung und Aufnahme von Geflüchteten – wie zum Beispiel die Kompatibilität des ländlichen bzw. kleinstädtischen Arbeitsmarkts mit den Kompetenzen und Fähigkeiten der Zuwandernden und Geflüchteten, die Agilität von Ausländerbehörden und Jobcentern in den mehrstufigen Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigungsverfahren und natürlich die Akzeptanz der Bevölkerung.

Glorius spickte ihren Vortag mit zahlreichen anonymisierten Zitaten von Betroffenen, die sie interviewt hatte – auf beiden „Seiten“, den Zugewanderten und der lokalen Bevölkerung. Diese spiele, so Glorius, eine entscheidende Rolle im Prozess des Ankommens und der Integration.

Dabei bestehe ein Zusammenhang zwischen positiver Kontakterfahrung und Vielfaltstoleranz: Häufiger Kontakt reduziert die Vorurteile. Hier biete die größere soziale Nähe in kleineren Städten auch Chancen für den Integrationsprozess. Als Forderung an die Politik formulierte Glorius deshalb unter anderem die Verstetigung von Unterstützungsstrukturen und die Integration als Querschnittsthema kommunalen Handelns zu sehen. Die Gesellschaft habe unter anderem die Aufgabe, eine Willkommenskultur für Neuzugezogene zu etablieren sowie Begegnungsräume und -anlässe zu schaffen.

Text/Foto: Helmut Hammer, 10.07.2023, HMSW-News

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